Ein Märchen welches sehr viel Mars-Energie symbolisiert ist das Märchen „Die roten Schuhe“. Wenn du meinen Artikel „Mars-der ritterliche Kriegsgott“ gelesen hast, dann findest du sicher selbst einige Analogien. In einer meiner nächsten Beiträge werde ich die Lebensweisheiten, welche darin versteckt sind, wieder etwas genauer beleuchten. Aber jetzt erstmal zum Märchen.
Die roten Schuhe
Es war einmal ein armes Waisenkind. Dies ging in Lumpen und barfuß durch die Welt, weil es noch nicht einmal Schuhe besaß. Mit der Zeit sammelte sie ein paar rote Fetzen und nähte sich daraus, so gut sie konnte, ein paar Schuhe. Obwohl sie sehr grob geschustert waren gefielen dem Mädchen ihre roten Schuhe ganz besonders gut. Ja sie kam sich sogar reich vor, wenn sie ihre roten Schuhe bis spät in die Nacht hinein beim Beerensammeln im Dornenwald trug.
Eines Tages wanderte das zerlumpte Mädchen in ihren schönen roten Schuhen die Straße entlang. Plötzlich hielt neben ihr eine goldglänzende Kutsche. In der Kutsche saß eine alte Frau. Diese versprach das Mädchen wie ihre eigene Tochter zu behandeln, wenn sie mit ihr mitkommen würde. Das Mädchen stieg in die Kutsche ein und bald waren sie im Hause bei der alten Dame angekommen.
Das Mädchen wurde gebadet und gekämmt. Es wurde in reinweiße Unterwäsche gekleidet und mit einem Kleid aus guter Wolle beschenkt. Außerdem bekam es weiße Strümpfe und schwarze Lackschuhe.
Als das Mädchen nach seinen heißgeliebten roten Schuhen fragte, erklärte ihr die reiche Frau, dass die Schuhe so schmutzig und lächerlich gewesen seien, dass sie diese mit all ihren anderen Kleidungsstücken in den Kamin geworfen habe. Von den heißgeliebten roten Schuhen war somit nur noch die Asche übrig.
Als es das hörte war das Mädchen sehr traurig darüber. Ihre roten Schuhe, welche sie mit ihren eigenen Händen gemacht hatte, waren ihr trotz des ganzen Reichtums ringsumher das Liebste auf der Welt gewesen. Jetzt musste es den ganzen Tag stillsitzen oder gemessen spazieren gehen. Das Mädchen durfte nicht mehr laut lachend und übermütig durch das Haus und Garten toben, wie es Kinder eigentlich so gerne tun. Es durfte nur dann sprechen, wenn es etwas gefragt wurde.
So wuchs ein heimliches Feuer im Herzen des Mädchens heran, und seine Sehnsucht nach den alten roten Schuhen wurde nicht geringer, sondern immer, immer größer.
Es kam die Zeit, da das Mädchen alt genug für ihre Konfirmation war. Die alte Frau ging mit ihr zu dem alten, verkrüppelten Schuster der Stadt. Für diesen Festtag wurden ein paar neue Schuhe gebraucht. Auf einem Regal hinter dem Tresen stand bereits ein fertiges Paar in der richtigen Größe. Es war aus feinstem, leuchtendroten Leder gemacht. Die Schuhe waren viel zu rot für die Kirche, aber das Herz des Mädchens begann zu hüpfen, als es die roten Schuhe sah. Die alte Dame war farbenblind und konnte ohnehin nicht mehr viel sehen. Und so bezahlte sie die Schuhe, nachdem das Mädchen sie anprobiert hatte. Der Schuster zwinkerte dem Mädchen zu und wickelte die roten Schuhe in unauffälliges Packpapier ein.
Am nächsten Tag ging das Mädchen in seinen neuen roten Schuhen zur Kirche, um sich konfirmieren zu lassen. Die Orgel spielte, der Kirchenchor sang, der Priester predigte, aber die ganze Gemeinde starrte nur auf die rotglänzenden, feurig leuchtenden Schuhe an den frechen kleinen Füßen. Selbst die Heiligenbilder an den Wänden und die Statuen hinter dem Altar schienen mit unheilvollen drohenden Blicken auf das Schuhwerk des Kindes zu starren. Aber dem Mädchen gefielen sie deshalb nur umso besser. Während alle anderen beteten, drehte sie ihre Füße hin und her und dachte, dass es kaum etwas Schöneres auf der Welt geben konnte als diese roten Schuhe.
Am Abend desselben Tages hatte die alte Frau von allen Seiten zu hören bekommen, was die Gemeinde über die roten Schuhe dachte. „Dass du mir diese schändlichen Schuhe nur ja nie wieder anziehst!“ schimpfte sie. Aber am nächsten Sonntag konnte sich das Mädchen nicht helfen, als es vor der Wahl zwischen den roten und den schwarzen Schuhen stand. Und wieder zog es die roten Schuhe an und ging mit der farbenblinden Greisin zur Kirche.
Am Kircheneingang stand ein Soldat mit einem Arm in der Schlinge. Er trug eine kurze Jacke und hatte einen roten Bart. Der Soldat machte einen artigen Bückling und bat um die Erlaubnis, den Staub von den Schuhen des Mädchens wischen zu dürfen. Das Mädchen streckte einen Fuß vor, und er klopfte auf die Sohle ihres linken Schuhs, dann die Sohle ihres rechten Schuhs, so dass es ihre Füße mächtig kitzelte. „Behalte sie an, bis der Tanz beginnt“, flüsterte er und zwinkerte dem Mädchen lustig zu.
Wieder zogen die roten Schuhe die Entrüstung der ganzen Gemeinde auf sich. Aber das Mädchen war so verliebt in das leuchtende Granatapfelrot, dass sie es kaum bemerkte. Es bekam auch kaum etwas von der Predigt mit, weil es nur bewundernd auf ihre roten Schuhe blickte. Es drehte ihre Füße unter der Kirchenbank mal hierhin, mal dorthin.
Beim Verlassen der Kirche rief der Soldat mit dem kranken Arm hinter ihr her: „Oh, was für hübsche Tanzschuhe du an den Füßen hast!“ Bei diesen Worten drehte das Mädchen unversehens eine kleine Pirouette, und danach konnten ihre Füße nicht mehr aufhören, sich um und umzudrehen. Sie tanzten an den Portalen der Kirche vorbei und mitten durch das Blumenbeet. Sie hüpften und steppten und walzten mit ihr über den Friedhof, die Felder und Wiesen davon.
Der Kutscher der alten Dame sprang von seinem Sitz und rannte hinter der Tanzenden her. Er hob sie auf und trug sie zu der Kutsche zurück. Aber die Füße des Mädchens in ihren roten Schuhen tanzten immer weiter in der Luft. Der Kutscher zog an den Schuhen, und die empörte alte Dame zerrte, während das Mädchen wie eine Besessene strampelte. Endlich gelang es ihnen die Füße des Kindes zu beruhigen und ihr die Schuhe auszuziehen.
Zu Hause angekommen, stellte die alte Frau die roten Schuhe weit oben in den Schrank. Sie verbot dem Mädchen, die Schuhe noch ein einziges Mal anzurühren. Aber das Mädchen blickte immer wieder verlangend zu ihnen auf und sehnte sich danach, sie über ihre Füße zu streifen, denn sie waren noch immer das Schönste und Liebste, was es hatte.
Schon bald darauf wurde die alte Dame bettlägerig. Und eines Tages, als alle Ärzte das Haus verlassen hatten, trug das Mädchen einen Hocker zu dem Schrank. Es kletterte darauf und ergriff die roten Schuhe. Es konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie überzustreifen. „Was kann es schaden“, dachte es bei sich. Aber kaum, dass sie die Schuhe an den Füßen hatte, konnten sie plötzlich nicht mehr aufhören zu tanzen.
Zur Tür hinaus und die Treppen hinunter tanzten die Schuhe mit ihr, in einem herrlich schwindelerregenden Wirbel. Das Mädchen war berauscht und dachte sich erst nicht viel dabei. Nur als es schon auf der Dorfstraße war und sich nach links wenden wollte, die Schuhe aber mit ihr nach rechts tanzten, wurden sie ihr unheimlich. Sie wollte umkehren, aber die Schuhe tanzten geradeaus davon, über den schlammigen Feldweg fort und in den dunklen Wald hinein.
Dort wirbelte sie an dem Soldaten mit seinem roten Bart, seiner kurzen Jacke und seinen Arm in der Schlinge vorbei. Er stand gegen einen Baumstamm gelehnt im Wald und sagte: „Ja schau nur, was die schönen Tanzschuhe alles treiben.“ Angstvoll versuchte das Mädchen sich die Schuhe abzustreifen. Sie hopste auf einem Bein und zerrte am Schuh des freien Fußes. Aber beide Schuhe mussten die Schritte eines unbekannten Tanzes vollführen und waren nicht mehr von den Füßen zu lösen.
Und so tanzte die Arme durch Wald und Flur, über Berg und Tal, durch Regen, Schnee und Sonnenschein. Sie tanzte in der Finsternis der Nacht und noch immer am Morgen, wenn die Sonne sich über den Horizont erhob. Die roten Schuhe kannten keine Ruhepause.
Sie tanzte in einen Kirchhof hinein, aber dort stellte sich ihr ein Geist in den Weg und verwehrte ihr den Einlass. Der Geist verfluchte sie mit den Worten: „Du sollst in den roten Schuhen tanzen, bis deine Haut in Fetzen von den müden Knochen hängt. Bis nichts mehr von dir übrig ist, nur deine tanzenden Innereien. Als Gespenst sollst du von Tür zu Tür tanzen, durch alle Dörfer und an jede Tür dreimal klopfen. Aber wenn die Bewohner dich erblicken, werden sie mit Grauen vor einem Schicksal wie deinem ihre Türen vor dir verschließen. So soll es und so muss es sein. Und nun fort mit euch, ihr roten Schuhe, tanzt, tanzt, tanzt!“
Das Mädchen flehte um Erbarmen, aber die Schuhe trugen sie fort und ihre Worte verflogen im Wind. Sie musste tanzen, wohin die Schuhe sie trugen, weiter, weiter, weiter, durch Bäche und Flüsse, über Dornenhecken und Zäune hinweg. So kam sie an ihrem einstmaligen Heim vorbei und sah eine Trauergemeinde im Garten versammelt. Die alte Frau, die sich ihrer angenommen hatte, war gestorben. Dennoch tanzte das Mädchen weiter, denn es konnte nicht stehenbleiben. In abgrundtiefer Erschöpfung tanzte es schließlich in die entlegene Ecke des Waldes hinein, wo der Scharfrichter der Gemeinde lebte. Die Axt an seiner Wand begann erwartungsvoll zu zittern, als die Maid in ihren roten Schuhen herbeigetanzt kam.
„Bitte, schneide meine Schuhe ab, um mich von diesem Fluch zu befreien“, flehte die Arme, während sie an der Tür des Scharfrichters vorbeitanzte. Mit seiner Axt durchtrennte er die Riemen, doch die Schuhe blieben an ihren Füßen, und so flehte sie ihn in ihrer Verzweiflung an, ihr die Füße abzuhacken, damit die Qual ein Ende habe. Der Scharfrichter tat wie ihm geheißen. Da tanzten die Schuhe mitsamt den Füßen allein weiter durch den Wald und über Berg und Tal davon. Das Mädchen war nun heimatlos und hatte keine Füße mehr. Es musste sich fortan ein Armenbrot als Dienstmagd verdienen, aber es sehnte sich niemals mehr nach roten Schuhen.